Weltgebetstag der Frauen, 5. März, 19 Uhr
25. Februar 2021Trostlieder: Lieder und Gedichte, die zu trösten vermögen
17. März 20214. Sonntag der Passionszeit – Lätare – 14. März 2021
Liebe Gemeinde!
Gut drei Wochen Passionszeit liegen hinter uns, drei Wochen noch vor uns, der Sonntag Lätare wird auch „kleines Ostern“ genannt – mitten in der Fastenzeit. Lätare ist der lateinische Anfang von Jesaja 66, 10 „Freut euch mit Jerusalem …“ und weiter „Freut euch mit mir, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid!“ Sie, das ist Jerusalem. „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem“, haben wir am Anfang der Passionszeit gehört, jetzt ist Jesus angekommen – umjubelt von der Menge. Und dann wird er gekreuzigt, der Jubel schlägt um in Hass, Gewalt und Leiden und Leid und tiefste Verzweiflung. Doch nicht lange. Freut euch, mit und über Jesus, den Auferstandenen, die ihr traurig gewesen seid, heißt es nach drei Tagen für die Jünger und Jüngerinnen. Für uns kann es heißen: Freut euch durch Jesus, in allem, was euch traurig macht. Vergessen wir nie, was nach der Passionszeit kommt.
Unsere heutige Lesung aus dem 2. Korintherbrief schlägt in dieselbe Kerbe. Es ist eine Stelle, die ich immer wieder bei Totenwachen bringe. Lasst euch trösten von Gott – und tröstet einander mit dem Trost, den allein der Gott allen Trostes schenken kann. Trost heißt herauskommen aus dem dunklen Loch von Kummer, Schmerz, Leid, Hoffnungslosigkeit. Alleine gelingt es uns nicht, und doch geschieht es immer wieder, Gott sei Dank. – „In dir ist Freude in allem Leide, o du süßer Jesu Christ“, singen wir, zumindest im Herzen. Können wir das wirklich?
Psalm 84 kann uns dabei helfen, ich habe ihn vorgelesen. Eigentlich gehört das Psalmlied gesungen, so steht es ausdrücklich in Vers 1: Für die musikalische Aufführung. Ein besonderer Psalm für mich: Mein Konfirmationsspruch ist daraus, Vers 12: „Gott, der Herr, ist Sonne und Schild, …“ Der Psalm schließt mit „Herr Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verlässt.“ Der Herr Zebaoth hat mir immer Schwierigkeiten bereitet, der Herr der Heerscharen, wie mir übersetzt wurde. An einen Kriegsgott kann ich nicht glauben. Doch das ist bloß eine Übersetzungsmöglichkeit, habe ich erfahren. Ich will nicht zu ausführlich darauf eingehen, nur zwei weitere Bedeutungen hervorheben: Herrscher über die Gewalten und Allmacht, Allmächtiger. So übersetzt die BigS die Verse 12 und 13: „Ja, Sonne und Schild ist Adonaj (steht für JHWH), Gott. Adonaj gibt Anmut und Würde, verweigert nicht denen das Gute, die in Aufrichtigkeit leben. Adonaj, du herrschst über die Gewalten. Wohl den Menschen, die auf dich vertrauen.“ Gottvertrauen – Grund und Quelle für Freude und Trost.
Das alles sind Signalwörter, Anlässe, ein kleines Ostern zu feiern. Und unser Wochenspruch? Er ist der abschließende Vers unseres heutigen Predigttextes, den ich nun endlich verlesen werde; der Evangelist Johannes schreibt (Kap. 12, 20 – 24):
Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. 21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen. 22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen’s Jesus. 23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Gnädiger Gott, komm mit deinem heiligen Geist zum rechten Reden, Hören und Verstehen. Amen.
Liebe Gemeinde, die Einleitung ist merkwürdig. Griechen möchten Jesus sehen. Johannes dachte wahrscheinlich an griechisch sprechende Menschen aus den Weiten des Römischen Reiches damals. Sie waren Juden geworden und nach Jerusalem gekommen, als Pilger, um hier das Passahfest zu feiern, jüdische Tradition seit Generationen. Und sie haben den Jubel über Jesu Ankunft in Jerusalem mitbekommen. Und sie wollen sich selbst ein Bild machen, wer dieser Jesus ist. Ein jüdischer Rabbi, der die Weisungen Gottes noch einmal ganz neu auslegt? Ein Mensch, der heilt und Tote auferweckt?
Der Frieden will und Zwietracht sät? Der Wasser zu Wein macht und fünftausend Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen sättigt? Der über Wasser geht und die Händler aus dem Tempel wirft? Jesus – was ist das für einer? Ein Mensch? Ein Gott? Sie können es sich nicht erklären.
Wir wollen Jesus sehen. Eigentlich, sollte man meinen, ganz einfach: Jesus sehen. Hier jedoch nicht so. Da geht Philippus zu Andreas, beide Jünger mit griechischem Namen. Andreas bedeutet: mannhaft, tapfer. Zusammen gehen sie dann zu Jesus hin. Als bräuchte es mehr als eine Person oder wäre mehr notwendig als Entschlossenheit oder Mut, um den Wunsch zu äußern. Um Jesus selbst zu sehen.
Warum diese Einleitung? Die Entstehungsgeschichte des Johannes-Evangeliums ist da interessant für mich: Der Evangelist Johannes dürfte aus einer judenchristlichen Tradition stammen und für eine heiden-christliche Gemeinde in Kleinasien oder Syrien schreiben, die mit ihrer ursprünglich judenchristlichen Tradition gebrochen hat und sich deutlich, polemisch und distanziert, vom Judentum absetzt (Joh 8,37-45), das seinerseits eine Grenzziehung zu den Christen vollzieht (9,22; 12,42; 16.2).
Für diese Gemeinde werden die beiden miteinander verwobenen Fragen: „Wer ist dieser Jesus?“ und: „Warum musste Jesus sterben?“ aufgrund der unterschiedlichen Herkunftstraditionen besonders konfliktträchtig sein. Johannes schrieb sein Evangelium in den ersten Jahren ab 100 nach Christus.
Was antwortet Jesus? Vordergründig nichts über sich selbst. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Bezogen auf den heutigen Themenkomplex bedeutet das, Trost und Freude aus dem Tod zu finden. Ist das möglich? Dahinter steht die Frage: Wie stehen wir zu Sterben und Tod? Ist es das Ende, das Aufhören zu sein? Oder ist es ein Übergang? Nach dem Tod – gibt es da noch was?
Eine Geschichte dazu: Zwei Mönche malten sich gegenseitig immer in den glänzendsten Farben aus, wie es nach dem Tod sein würde und vereinbarten, der erste, der sterben würde, sollte dem anderen dann sagen, wie es sei. So geschah es auch, und der Lebende fragte, auf Latein: Taliter? Ist es so (wie wir es uns vorgestellt haben)? Kopfschütteln. – Aliter? Anders? Kopfschütteln und die Antwort: Totaliter aliter. Vollkommen anders.
Wir können es uns nicht vorstellen, aber Glaube – Hoffnung – Liebe helfen, weiter zu sehen und zu denken.
Sterben und Tod – bleiben wir beim Karfreitag stehen?
Liebe Gemeinde! Was antwortete Jesus? Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Das sagt er, bevor er verraten, gefangen genommen, gefoltert, verurteilt, gekreuzigt wird, geschmäht und qualvoll stirbt. Verherrlicht? So kann das nur der Menschensohn sehen, die Mensch gewordene Gottheit. – Doch, ein Gedicht fällt mir ein, in einer katholischen Morgenfeier auf BR1 gehört, geschrieben von Katharina Staritz, einer evangelischen Theologin, im KZ:
Wir tragen alle das gleiche Kleid – wir tragen alle das gleiche Leid –
doch wie wir einer den andern tragen, ob wir fluchen oder verzagen,
auf anderer Sünden mit Händen zeigen; oder uns Gottes Gerichten beugen;
uns tiefer und tiefer sinken lassen, oder Gottes barmherzige Hände fassen,
macht, dass wir in unseren Leidenstagen | Ketten oder ein Krönlein tragen.
Jesus trug die Dornen als Krone!
Wer ist dieser Jesus, fragen die Griechen, ein besonderer Rabbi, ein Wundertäter, ein Prophet? Wer war unser Jesus, das entzweite Judenchristen und Heidenchristen: der Messias oder der Sohn Gottes? Es ist die falsche Fragestellung. Ich bin das Weizenkorn, das erstirbt, sagt Jesus. Das scheinbar vergeht – und doch nicht zu Nichts wird, sondern zu etwas Neuem, Größerem, Besserem; einem Pflänzchen, einem Halm, der viele neue Körner trägt: Menschen zu Gotteskindern macht.
Oder wieder anders, vollkommen anders. Auch darauf will ich noch eingehen. Später.
Zum Weizenkorn, das vergeht und doch nicht umkommt, werden auch wir – auf so vielfältige Weise. Vom Kind zu Frau/Mann zu Greisen – durchleben wir so viele Metamorphosen. Im Aussehen. In unseren Möglichkeiten, Aktivitäten, Ansichten, Einsichten. Wir verändern uns – ständig. Nicht jede Ehe hält das z. B. aus, es hängt auch davon ab, ob wir uns miteinander ändern oder nebeneinander bzw. gar gegeneinander.
Unser Leben – ein stetes Loslassen und Neuwerden, in der Meditation bewusst gemacht beim Ausatmen und beim Einatmen.
Hermann Hesse schreibt in seinem Gedicht „Stufen“ davon, „wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, …“ und schließt: „Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden … Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
Loslassen – und Neuwerden, manchmal zum Besseren, manchmal zum Schlechteren. Nicht alles geht gut. Aber auch für unser Versagen, für unsere Schuld ist Jesus, das Weizenkorn, hinabgestiegen in das Reich des Todes – und auferstanden.
Vom Saulus zum Paulus können wir werden. Manche auch umgekehrt – und manche wieder zurück. Gott kann es schenken. Dass wir Frucht bringen – Trost weitergeben, Hoffnung, Vertrauen, Liebe. Ich will dich segnen, und du sollst zum Segen werden, sagte Gott. Wir dürfen es ganz persönlich nehmen.
Das Weizenkorn ist nicht im Tod versunken. Jesus ist auferstanden. Hat dem Tod die Macht genommen, bewirkt, dass des Lebens Ruf an uns niemals enden wird. Auch wir werden auferstehen – und das auch schon im Leben. Marie Luise Kaschnitz bringt das so zum Ausdruck:
Auferstehung – Manchmal stehen wir auf – Stehen wir zur Auferstehung auf –
Mitten am Tage – Mit unserem lebendigen Haar – Mit unserer atmenden Haut. –
Nur das Gewohnte ist um uns. – Keine Fata Morgana von Palmen –
Mit weidenden Löwen – Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken – Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus. –
Und dennoch leicht – Und dennoch unverwundbar –
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung – Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
Psalm 84 klingt an – irgendwie. Und der Gott allen Trostes. Und das „Freut euch“.
Jesus ist das Weizenkorn, das als Korn vergeht – und neu wird, auch ganz anders: als Brot des Lebens. Ich bin das Brot des Lebens, sagt Jesus. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, der wird nimmermehr dürsten. – Freut euch!
Amen.
Erich H. Hamader.